2. Kapitel: DER KAUFGS und rostfrei. Pah! Für solch illusorische Flausen war ich in Fachkreisen diesseits und jenseits des Rotweingürtels oft genug ausgelacht worden.
Irgendwie sprach mich das eher unprofessionell gemachte Privatinserat trotzdem an, auf den Fotos sah der Wagen sauber aus und die Preisansage unterstrich den Qualitätsanspruch.
Am Telefon dann ein sympathischer Herr, dessen Namen ich akustisch nicht verstanden hatte und der ein bisserl im Stress war, weil das Auto kurzfristig von seinem Wiener Einstellplatz weg musste und, und, und. Am Ende des Telefonates hatten wir ausgemacht, daß ich ihm für die folgende Woche meine Garage im nahen Osten zur Verfügung stellen und das Auto auch abholen und zurückbringen würde, was mir die Gelegenheit zu ausgiebigen Probefahrten geben würde. Win-Win also.
Bei der Übergabe dann eine kleine Überraschung weil sich der freundliche Herr als bekannte Persönlichkeit aus Politik und TV herausstellte und sogleich erinnerte ich mich an autorevue 2016/12, wo der langjährige GS-Enthusiast samt Auto einen mehrseitigen Gastauftritt gehabt hatte.
Die nächste Überraschung dann gleich auf der Heimfahrt im Roten:
Das fuhr so unbeschreiblich gut!
Viel besser als in meiner Erinnerung.
Das wars, was ich all die Jahrzehnte vergeblich gesucht hatte. Wieviele Autos hatte ich besessen, wieviele mehr hatte ich ausprobiert.

Offenbar ist man für alles andere verloren, wenn man dieses einzigartige Fahrverhalten einmal kennen und schätzen gelernt hat.
Dabei präsentierte sich die Kiste runtergeritten wie nur was: Shake, rattle and roll.
Daß zumindest die Motor- und die Fahrwerkslager und überhaupt sämtliche Verschleißteile der Fahrwerkskinematik hinüber waren, konnte selbst ein Laie wie ich erkennen. (Motorlauf, Getriebe, Lenkung, Federung und Dämpfung schienen aber ok).
Wie muß das erst fahren, wenn alles passt!
Ebenfalls selbst diagnostizieren konnte ich noch Benzingeruch, multiplen Ölverlust und einen defekten Fernlichtschalter im linken Satelliten.
Punkt eins beim Oldtimerkauf war also zu 100% positiv abgehakt: Fahren und Fühlen, ob mans mag.
Punkt zwei dann die eingehende technische Prüfung durch Fachleute. Gleich mehrere davon prüften die Zitrone auf Herz und Nieren, bestätigten meine oben erwähnten Wahrnehmungen und fanden auch keine weiteren Mängel mehr (genügt eh).
Dann aber kam das wahrhaft wesentliche dran, nämlich die Karosserie: Das grosse Zittern bei den Ziddern.
Lack? Weitgehend original und sehr schön erhalten. Nachlackierungen, wo vorhanden, professionell ausgeführt.
Rost? Ein paar minimale Flugroststellen im Bereich der Schweller. Sonst nix.
Und zwar wirklich. Die Burschen im Blaumann konnte es kaum fassen. Alle Hohlräume clean as can be. Das Auto sieht innerlich aus, als ob es seinerzeit „alsa ganza“ in ein grosses Faß mit Heißwachs getaucht worden wäre.
Grossen Dank an die Genossen vom Hohlraumschutzkombinat Dresden Ost!
Wir haben hier nämlich eine DDR-Erstauslieferung vor uns und diese wurde wie die anderen 4999 Stück „DDR-Pallas“ vor Übergabe an den Enduser in eigenen Betrieben nach eigenen, selbst entwickelten Spritzplänen nach allen Regeln der Kunst konserviert. Und zwar gründlich. Man sagt, daß sogar Teile der Innenraumverkleidung demontiert wurden, um besser an kritische Stellen zu kommen.
Das Wissen um die Achillesferse des teuren Westautos, billige Arbeitskraft und eine gewisse Gründlichkeitsmentalität führten so zu einem für GSA-Freunde höchst erfreulichen Ergebnis.
Wenn man regelmässig deutsche Inserate liest, wird einem der überdurchschnittlich hohe Anteil von DDR-Pallas an der gesamten, verbliebenen GSA-Population auffallen.
Ich frage mich, ob es sich nicht gerechnet hätte, die teure Prozedur serienmässig ab Werk vorzunehmen und sich damit den katastrophalen Ruf als Rostproduzent zu ersparen. In den auch bei anderen Herstellern korrosiven Siebzigern hätte ein nichtrostendes Auto einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen können. Doch was kenn ich mich schon mit Wirtschaft aus….
Das Verdikt der Werkstatt war dann jedenfalls ein ziemlich kategorischer Imperativ und der lautete: KAUFEN!
Ich traute mich nicht zu widersprechen, rief den Verkäufer an, berichtete wahrheitsgemäß über Plus und Minus und berührte dann zart das Thema Preis. Die Argumente „in diesem Zustand sicher kein Pickerl/keine Typisierung“ sowie „akute Brandgefahr durch undichtes Treibstoffsystem“ führten zum erwünschten Erfolg und wir schlossen den Handel zu beiderseitiger Zufriedenheit ab. Win-Win, so soll es sein.
Nach allem, was ich die Auskenner immer so reden höre, sollte dieser Wagen eigentlich eine recht gute Restaurationsbasis darstellen: Ungeschweisste, rostfreie, originale Karosserie, sehr guter Lackzustand, akzeptables Interieur und alles vollständig.
Zu tun bleibt „nur“ die Generalüberholung der Technik.
Auf neu oder sogar besser als neu. So will ich es haben.
Auf unliebsame Überraschungen bin ich eingestellt.