insane hat geschrieben:
das judenthema ist beinahe in jedem forum steter wegbegleiter.
komisch irgendwie.
bin gespannt wann hier der erste auf den plan tritt, der den nahostkonflikt zum thema macht. (a la "die juden sind ja auch nicht besser) dann gehen die wogen sicher gänzlich hoch.
btw. wo ist bob? bin schon auf seine fundierte meinung gespannt.
Meine Meinung?
Das eine Thema ist die Judenverfolgung.
Also bei der Relativierungsmethode der Herrn me tu ich mir auch schwer. Solche Vergleiche waren es, mit denen sich meine Großeltern rausgeredet haben, unter denen ein paar recht forsche Nazi waren. Meine Oma hat mir immer erklärt, daß die KZs eigentlich in England erfunden worden waren. Die Fliegerbomben, die haben ja schließlich auch das Familienporzellan kaputt gemacht und die Russen haben dann noch das Silber gestohlen. Über Derartiges will ich keine Worte mehr verlieren. Ich halte das für dumm und ein bissel gefährlich.
Man kommt ja heute fast nicht vorbei an den Schilderungen über die Grausamkeit der Judenverfolgung. Ich kann zum Beispiel die Geschichte einer Augenzeugin nicht vergessen, in der ein Neugebohrenes von den Wärtern gleich nach der Geburt lebendig in den Ofen der Baracke geschmissen worden ist. Oder die von dem jüdischen Rechtsanwalt bei der Eroberung von Kiew. Er konnte einwandfreies Deutsch, hatte in Berlin studiert. Während einer Massenerschießung geht er mit seinem Sohn zum SS-Mann und ihn bittet diesen, auf seinen vielleicht fünfjährigen Sohn genau zu zielen, damit der nicht leiden muß.
Das alles ist für mich so unvorstellbar, daß ich es einfach mit nichts vergleichen will. Jeder Vergleich kann für mich nur den Versuch einer Verharmlosung darstellen. Deswegen mag ich das Vergleichen nicht, Herr me.
Das andere Thema ist die Wiedergutmachung.
Was da geschehen ist, kann man nicht gutmachen. Diese Dinge sind einfach weit jenseits von dem, was man wieder gut machen kann. Was uns natürlich nicht davon entbindet, es zu versuchen.Aber bei Allem, was man dennoch hätte tun können, hat unsere Großelterngeneration eine denkbar erbärmliche Figur gemacht, und wir machen sie z.T. bis Heute. Auch hier finde ich eine Gegenverrechnung mit dem Schicksal der armen vertriebenen Sudetendeutschen unpassend. Das ist einfach eine ganz andere Geschichte, auch wenn da natürlich eine ursächliche Verbindung besteht.
Und nochwas finde ich widerlich: Wenn jemand sagt: "Ich kanns nicht mehr hören, mir hängt das zum Hals raus, ich war persönlich nicht dabei, kann daher nix dafür, und es soll endlich schluß sein." Der Standpunkt ist natürlich vertretbar, weil, keiner von uns war persönlich dabei. Aber es gehört irgendwie zu unserem Erbe. Genausowenig wie ich mich für die Hutu/Tutsi Sache verantwortlich fühle, die auch schrecklich war, fühle ich mich gerade für die Gemeinheiten meiner Großeltern auf eine gewisse Art eben doch verantwortlich. Ich halte diesen geht-mich-nix-an Standpunkt für unanständig und billig. Für mich denke ich: wenn mich jemand aus dieser Art von "Schuld" entlassen kann, dann sicher nicht ich selber.
Ich denke: Was unsere Großeltern (bei manchen werden es wohl schon die Urgroßeltern sein) da zugelassen, durch Wegsehen ermöglicht, oder gar mitgetragen haben, war so schrecklich, daß wir uns nie werden davon wegstehelen können. Das bleibt uns. Genauso wie unsere guten Errungenschaften wie Falco, Wienerschnitzel und gute Autos gehört es zu den Dingen, die irgendwie uns gehören.
Interessante Frage: Was wäre aus mir geworden, wenn ich 1920 geboren worden wäre?
Ich glaube, daß sie mich damals strafweise nach Rußland geschickt hätten, weil ich meine Pappen nicht halten kann, und sicher irgendwelche halblustigen Witze über Göring oder den Gröfaz gemacht hätte. Einen guten Soldaten hätten die dort sicher auch nicht gemacht, aus mir.
Danke, Schicksal.