me hat geschrieben:
Dimple hat geschrieben:
Ich bitte um Tips, wie sich die ÖVP verhalten soll - die Rahmenbedingungen sind ca. so abzustecken: Bei etlichen Kernelementen (Anschaffung von irgendwelchen Abfangjägern, Gruppenbesteuerung, Pensionsreform) der vorigen Regierung ist ein Mitstimmen bei einer Abschaffung undenkbar (weil sie für richtig gehalten werden und IMHO auch sind) und mittel- bis langfristiges Ziel ist die Erhaltung der Mehrheitsfähigkeit (sprich: ein erster Platz soll wieder ausgehen können).
Ich sehe unter diesen zwei Bedingungen (und über die kann die ÖVP nicht drüber springen, sonst müsste sie sich, wie das LIF in die SPÖ eingliedern) keine Chance auf eine große Koalition.
Die Sache mit der Mehrheit, die der Regierung sehr klar verlorenging, ist einfach: Wenn der Präsident oder der Mehrheit der NR-Abgeordneten nicht mehr mit der provisorischen Regierung einverstanden ist, sollen sie diese Abberufen. Ansonsten macht die provisorisch im Amt befindliche Regierung das, was sie tun soll: provisorisch die Amtsgeschäfte führen (dzt. läppische 40 Tage) und dazu ist sie vom Bundespräsidenten bestimmt worden.
Was mich wundert: Jeder verlangt von der ÖVP, daß sie in einem Anflug von Todeswunsch als Juniorpartner der SPÖ in die Regierung tritt. Dabei gibt es 183 Abgeordnete, von denen die ÖVP nur 66 stellt - daher sollte sich bei den restlichen 117 Mandataren doch locker eine Regierung ausgehen.
lg
Dimple
Lieber Dimple,
das Wesen von Verhandlungen ist, dass JEDER Kompromissbereitschaft zeigt. Die ÖVP hätte daher zuerst das Ergebnis in den Unterausschüssen abwarten können und dann das tun, was die großen Koalitionen davor immer gemacht haben und zwar jene Punkte, bei denen absolut keine Einigung zu erzielen war ganz einfach auf die lange Bank zu schieben (zB Thema Pensionen). Niemand außer Peter Pilz glaubt zB, dass die Abfangjäger noch abbestellt werden können. Ich verstehe daher nicht, dass die ÖVP diesen U-Ausschuss zum Anlass genommen hat, um sich selbst eine Ausstiegsklausel aus den Verhandlungen zu konstruieren, ebenso verhält es sich bei dem anderen U-Ausschuss, wo sich die ÖVP plötzlich ganz große Sorgen um den Wirtschaftsstandort Österreich macht, obwohl der Herr Vizekanzler Gorbach unmittelbar nach Bekanntwerden der Bawag-Affäre über die Medien verbreiten lies, die Bundesregierung müsse das Geld von den Bawag-Konten abziehen. Die Inssbrucker Bürgermeisterin (ÖVP) hat das sogar getan. Gesetzwidrig, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
Und andere Mehrheiten im Parlament gibt es für die SPÖ nicht. Ich hoffe, dass die SPÖ ihren Prinzipen treu bleibt und keine Koalition mit blau und/oder orange eingeht und damit den Tabubruch von Tschüssel von vor 6 Jahren legitimiert. Das was Tschüssel will, ist, so lange zu taktieren bis er den Auftrag zur Regierungsbildung bekommt. Dann ist schwarz-blau-orange fix.
Wie wir wissen, braucht es keinen Auftrag zur Regierungsbildung und wenn Schüssel die beiden Freiheitlichen Parteien einigen kann, so wird er die Regierung mit ihnen bilden. Das Wahlergebnis ist nämlich nur deswegen so uneindeutig, weil sich BZÖ und FPÖ getrennt haben und gegeneinander kandidiert haben. Eigentlich ist die Mitte-Rechts-Mehrheit bestätigt worden (wenn auch geschwächt) und in einem normalen Land könnte man davon ausgehen, daß die Regierung wieder von diesen Parteien (bis Sept. 06 waren ja BZÖ und Rest-FPÖ ein Parlamentsklub) gebildet wird.
Aber vielleicht macht ja noch die KPÖ oder HPM einen Einspruch gegen die Mandatsverteilung, das BZÖ fliegt raus und wir bekommen Rot-Grün, was dann heissen würde, die Regierung ist tatsächlich abgewählt worden.
Und zu Kompromissen: Es gibt Bereiche, wo für die eine Partei oder die andere Partei kein Kompromiss möglich ist: Ich vermute, Studiengebühren ist ein solcher für SPÖ (auch für die Grünen), während zB. die Gruppenbesteuerung einer für die ÖVP ist. Bei der Pensionsreform wäre die SPÖ wahrscheinlich froh, dafür nicht mehr geprügelt werden zu müssen (das haben schon BZÖ und ÖVP übernommen) und würde mit der (zu erwartenden) Anhebung des Pensionsalters bis in die übernächste Legislaturperiode warten.
Was aber auch klar ist: Weder will die SPÖ mit der ÖVP noch umgekehrt. Und ein "MUSS" für Regierungseintritt gibt es nicht. Ich finde eine Minderheitsregierung (für ca. 1 Jahr) einen ganz reizvollen Versuch - ein 08/15-Budget ist sicher verhandelbar - und dann gibt es halt Neuwahlen: Es würde die Demokratie profitieren (etwas freieres Mandat), die Kompromisse wären sichtbarer (nicht hineinreklamiertes Thit-for-That in geheimen Koalitionsrunden) und aushalten würde Österreich das locker. Und nachher gibt es eine Entscheidung: Weiter Gusenbauer als Kanzler (Rot-Grün) oder Schwarz-wasauchimmer, ohne daß sich eine Partei gegen ihre Überzeugungen mit einer anderen Partei im Koalitionsbett infiziert hat.
IMHO war der große Fehler der ÖVP (ich wiederhole mich), nicht von Anfang an zu sagen, wir stehen für eine Regierungsarbeit (va. in einer großen Koalition) nicht zur Verfügung. Und das Wolfgang Schüssel und die ÖVP auch gegen die Ideen von Kronen Zeitung und (jetzt neu) Österreich handeln, wenn sie das für richtig erachten, wurde schon gezeigt (was ich auch für ein Novum in der Nach-Kreisky-Zeit halte) und daher würden sie den Druck, der von allen Medien-Seiten kommt, schon aushalten.
lg
Dimple